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Alt 14.02.2015, 11:07
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Porsche 912

Moin zusammen aus Bremen,

schön, dass der Porsche 912 hier entsprechend thematisiert wird, da doch dieses Jahr das 50. Jubiläum des 912ers ansteht.

Da ich einen Porsche 912 nun seit 2001 besitze, gebe ich meine Beweggründe zum Kauf, Eindrücke aus den Jahren & Erfahrungen in ein paar Sätzen wieder, die vielleicht dem einen oder anderen Besitzer oder Kaufinteressenten interessieren könnten.

Zunächst ein paar Daten zum Wagen: Es handelt sich um ein SWB Coupé aus dem Baujahr Anfang 1967 mit 4-Gang Schaltung, ohne Schiebedach im Originalfarbton Agablau mit schwarzer Kunstlederausstattung und Stahlfelgen mit Chromradkappen im ungeschweißtem Zustand. Ich habe ein Foto angehängt.

Beweggründe: Mitte der 90er Jahre hatte ich in meiner Studentenzeit im Nachhinein betrachtet zwei Schlüsselerlebnisse, die mir diesen Wagen als so wünschenswert und erstrebenswert werden ließen:
  1. Hamburg/Lange Reihe: Dort stand ein wunderschöner SWB Porsche 912 in silber am Strassenrand, der mir in den folgenden Jahren nicht mehr aus dem Kopf ging (der Typ 912 war mir jedoch zu dem Zeitpunkt noch unbekannt)
  2. USA/Texas: Im Jahr 1996 bin ich zufällig im Rahmen eines Studenten-Praktikums auf einen zum Verkauf stehenden Porsche 912 gestoßen, welcher sich auf einem Autofriedhof im warmen Texas befand. Ich erinnere mich heute nicht mehr genau an den Zustand, jedoch erschien der Preis von 3500$ attraktiv. Meine völlige Unkenntnis der Materie Porsche sowie bzgl. Logistik zum Export/Import eines Oldtimers nach Deutschland und auch mein Studentendasein haben den Kauf damals glücklicherweise verhindert.
Das änderte sich dann im Jahr 2001. Diplomiert und angestellt als Doktorand an der Uni hatte ich nun zumindest etwas Budget um den Traum zum Kauf eines Porsche 912 anzugehen. Auch damals gab es bereits Mobile.de und ich fand obigen Porsche 912 bei einem sehr netten privaten Niederländer, der den 912 Mitte der 90er aus Kalifornien importiert hatte und mir voller Stolz den sehr originalen Wagen vorstellte. Der Grund für den Verkauf des Porsche 912 war ein SWB Porsche 911 Softwindow-Targa in Blutorange in seiner zweiten Garage. Ein Zustand 2 Porsche 912 kostete damals übrigens ca. 24.000 DM.

Eindrücke und Erfahrungen:
Rückblickend war der Kauf des 912 bei mir mit sehr großen Sorgenfalten und Ungewissheit verbunden, da ich weiterhin ein absoluter Laie in Sachen Porsche war (trotz Affinität zum Thema Oldtimer) und nicht wußte welches Geldgrab ich mir da ans Bein binde. Es fing damit an, dass ich den Kaufvertrag unterschrieb ohne einen Garagenstellplatz zu haben. Zum Glück fand sich dieser hier in Bremen umgehend bei einer alten Dame der ich erzählte dass ihr Stellplatz von einem Porsche Oldtimer belegt würde, so dass der Wagen immer sicher und trocken aufgehoben war. Die nächste Herausforderung zum Auffinden einer kompetenten und verlässlichen Porsche Werkstatt kennt wahrscheinlich jeder Porsche Oldtimer Besitzer, der nicht selbst "schrauben" kann oder möchte. Das Porsche Zentrum in Bremen war zumindest im Jahr 2001 weniger an Porsche 912 interessiert, welches ich ohne Erfolg kontaktiert hatte um einige Arbeiten zur Erlangung der TÜV-Vollabnahme durchzuführen. Ich hatte gehört, dass sich diese Einstellung in den letzten Jahren geändert hat, aber bisher sind wir nie zusammengekommen. Auch war ich überrascht, dass 2001 die 165er HR15 Reifen nicht mal eben beim nächstbesten Reifenservice bestellt werden können, sondern bei Michelin angefragt werden müssen und bei genügend Bestellungen dann auch eine neue Serie gepresst wird. Lieferdatum unbestimmt. Die Münchener Oldtimer-Reifenhändler haben mir schon in 2001 entsprechende Hilfe gegeben. Eine kleine Oldtimer-Werkstatt hatte ich hier in Bremen gefunden (welche leider zwischenzeitlich geschlossen ist), in welcher der Meister sich noch mit 60er Jahre Wagen mit Käfertechnik und Vergasermotoren auskannte. Dort hatte ich kleinere Arbeiten aber auch die Vergasereinstellung vornehmen lassen.

Nutzung:
Ein paar Sätze zu den Fahrten mit meinen 912 in den letzten Jahren: Seit 2001 bin ich im Schnitt ca. 1000 km pro Jahr gefahren (zuletzt weniger - siehe unten). Ich muss gestehen, dass ich ein reiner Sonnenscheinfahrer bin, wobei meine Saison von März/April bis ca. September/Oktober reicht. Die 5-6 Wintermonate verbringt der Wagen natürlich vollgetankt in einer trockenen Garage. Der erste Startversuch im Frühling verlangt auch mit frisch geladenen Batterie immer etwas Geduld. Ich benötige immer ca. 6-7 Startversuche bis der Sprit die Vergaser neu gefüllt hat und der Wagen anspringt, was in allen 14 Jahren immer ohne Starthilfe erfolgte (Ich klopfe drei mal auf Holz). Oft werde ich gefragt: Wie schnell läuft der Wagen eigentlich? Ich muss eingestehen: Ich weiß es nicht, da ich nie Vollgas sondern nur bis maximal 150km/h gefahren bin. Der Grund ist auch die in vielen 60er Jahre Auto-Tests erwähnte Geräuschkulisse aus dem Heck. Ich muss einräumen, dass der 912er ab 100km/h recht laut ist und eine Konversation mit dem Beifahrer im Grunde nur durch "Schreien" möglich ist. Auf Landstrassen ist dieser Wermutstropfen egal. Lange und schnelle Autobahnfahrten (ich würde ja gerne mal in die Alpen mit dem 912) kann man im heutigen Verkehrsfluss eher weniger genießen und man sollte das Motto "der Weg ist das Ziel" anwenden. Ich vergleiche den Motorsound des 912s immer mit einem "heiseren" Käfer.

Kosten:
Schau ich mir an, was ich in den all den Jahren in das Auto investiert habe (Garage, Versicherung, Steuer, TÜV + Werkstatt, Kleinkram) dann kann man zumindest eine Bilanz ziehen, dass sich zumindest bis 2012 die Wertsteigerung in etwa die Waage gehalten hat mit meinen Ausgaben (für ein Hobby wohlgemerkt!) - Wertentwicklung siehe unten. Meine jährlichen Ausgaben beliefen sich grob abgeschätzt auf ca. 1000 EUR für obige Themen. Man darf natürlich nicht die Rechnung machen, dass jeder meiner 1000km/Jahr dann ca. 1 EUR kostet (obwohl ich die Rechnung manchmal im Kopf gemacht habe).

Sprit-Verbrauch:
Das Thema Spritverbrauch ist auch sehr interessant: Ab dem Jahr 2001 habe ich ein Fahrtenbuch für den Porsche 912 geführt, in welchem ich auch jede Tankfüllung notiert habe. Der Verbrauch des 912 hat sich im Bereich um 9.8L/100km eingependelt.

Wertentwicklung:
Der Porsche 912 ist trotz seiner Mischung aus Porsche 911 (Karosserie) und Porsche 356 (Motor) preislich historisch niedriger als die 911er und 356er angesiedelt. Die Gründe sind mannigfaltig und ergeben sich z.B. aus relativ hoher Stückzahl des 912 (Anfangs wurden mehr 912 als 911 verkauft) oder das hohe prestige des 911 (6 Zylinder). Der günstige Preis war in 2001 im Grunde auch für mich die Möglichkeit die zeitlos schöne 911/912 Karosserie als Oldtimer bewegen zu können. Das gilt weiterhin auch heute. Anbei ein paar Preise aus den letzten Jahren, jeweils für ein 912 Coupé im Zustand 2 in EUR (DM-Werte vor 2002 in EUR umgerechnet und gerundet), welche ich verschiedenen Preistabellen in meiner Literatur entnehmen konnte als grobe Referenz:
1991: 11.200 EUR
1994: 11.500 EUR
1996: 11.900 EUR
2000: 11.750 EUR
2002: 12.500 EUR
2007: 17.000 EUR
2011: 21.600 EUR
2012: 21.600 EUR
2013: 21.600 EUR
2014: 24.500 EUR
Schaut man sich die Entwicklung nach 2013 an, in welcher die SWB Porsche 911 Preise drastisch angezogen sind (>100k€), dann kann man einen Trend erkennen, dass die Porsche 912 SWB Preise nachziehen. Das ergibt sich leider alleine daraus, dass in diesem Zuge auch die SWB 911 Ersatzteilpreise für Originalteile sehr stark gestiegen sind (so bitter das auch ist, wenn man den Gedanken weiter spinnt). Ich bin nun gespannt auf das nächste Oldtimer-Markpreise Sonderheft für 2015, denn es ist ziemlich klar, dass der Wert aus 2014 nicht zu halten ist, da ein (wirklicher) Zustand 2 Coupé in keinster Weise für unter 25.000 EUR als Standardpreis zu finden ist.

Fazit:
Der 912er ist ein herrliches Auto in einem zeitlos klassischem Design mit sehr hohem Nutzwert und eine tolle Alternative zum Porsche 911. Das Fehlen der 2 Zylinder hat seine Reize und fällt besonders bei Landstraßen-Fahrten beim Cruisen nur bedingt auf. Das Handling ist klasse und geht fast in Richtung "Go-Kart", da der Motor etwas leichter als beim 911er ist. Die Marktpreise des 912 sind meiner Meinung nach immer noch recht tief, obwohl sie gerade in den letzten 12 Monaten recht start angestiegen sind.

PS: Da ich das große Glück habe auch noch einen Porsche 911 Targa aus 1969 zu besitzen (über den ich in diesem Thread nicht im Detail schreiben möchte), kann ich mir auch als 911 Besitzer ein leicht vergleichendes Fazit zum 912 erlauben. Ich liebe den 912 und freue mich jedes mal auch nach einer 911 Fahrt den 912er aus der Garage zu holen.
Angehängte Grafiken
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1967 Porsche 912 Coupe - original agablau
1969/70 Porsche 911 Targa 2.2T
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