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Alt 28.12.2003, 06:29
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Pfeil Wendelin Wiedeking: Der Anschnäuzer bei Porsche'

Wendelin Wiedeking: Der Anschnäuzer bei Porsche'
[Von ftd.de, 19:53, 31.03.04]

"Angst behindert das Denken", sagt Wendelin Wiedeking. In starken Sprüchen ist der Porsche-Chef gut. In seinem Job auch: Die Erfolgsgeschichte von Porsche ist zugleich die Erfolgsgeschichte des furchtlosen Mannes an der Spitze.

Wer Wendelin Wiedeking ärgern möchte, mal sehen, wie ihm der Schnurrbart erstarrt, der muss einfach nur sagen: "Also, Herr Wiedeking, Ihr Vorschlag, der hat ja durchaus seine Reize, aber ich hätte da trotzdem meine Bedenken."
Einen Mitarbeiter, der einen solchen Satz sagt, könnte man tollkühn nennen, oder jobmüde. "Bedenkenträger muss man nach Hause schicken", poltert Wiedeking. "Sie machen alles kaputt. Angst behindert das Denken. Ich habe keine Angst. Nie."
Und damit man ihm das glaubt, erzählt er gerne eine Anekdote. Er ließ sich einmal im dicksten Nebel zu einem Rennen nach Le Mans fliegen. "Der Pilot wollte nicht landen. Ich: 'Wir müssen da runter!' Der Pilot: 'Nein!' Ich: 'Wir gehen da runter!' Sind wir auch. Tauchte vor uns eine Stromleitung aus dem Nebel auf. Haben wir einen kleinen Schwupser drüber gemacht. Aber wir waren pünktlich da: No risk, no fun."
Erst Risiko, dann Spaß - viel Spaß

So läuft Wiedekings Karriere: erst Risiko, dann Spaß - viel Spaß. Er hat Porsche vom Verlierer zum Gewinner gemacht. Noch vor einem Jahrzehnt galt Porsche als Zuhälter-Marke, Aktien-Desaster und Pleite-Kandidat. Heute ist er Promi-Stolz, Anleger-Glück und die profitabelste Autofirma der Welt.
Wiedeking hat dieser Erfolg das Bundesverdienstkreuz am Bande eingebracht, den Orden wider den tierischen Ernst und, seit fünf Jahren in Folge, den Sieg beim Wettbewerb "Excellence in Leadership", in dem Vorstandschefs ihren Besten küren.
Eine schöne Karriere für einen Mann, den die Presse bei seinem Start noch verspottete, er wirke wie der "Buchhalter einer Rollladenfirma". Das war 1992. Wiedeking war 40 Jahre alt und Günstling des mächtigen Ferdinand Piëch. Alle anderen in und um den Aufsichtsrat herum hatten ihre Zweifel: Dieser Grünschnabel soll die Firma wieder beleben? In den fünf Jahren zuvor hatte sich die Produktion halbiert, das Management musste einen Verlust von 240 Mio. DM verkünden.
Mut und Entschlusskraft beim Ausmisten

Die Horrorzahlen erleichtern Wiedekings Start: "Es war ja nichts in Ordnung. Kein einziger Bereich. Das war natürlich für eine Sanierung eine Steilvorlage", sagt er. "Da konnten wir richtig ausmisten."
Und wie er ausmistet! Er zeigt Mut und Entschlusskraft, holt sich Berater aus Japan ins Haus, krempelt die Fertigung um, siebt 700 der 1000 Lieferanten aus und vertreibt rund 3000 Mitarbeiter. "Anhand der Produktionszahlen können Sie leicht ausrechnen, wie viele Leute Sie nicht brauchen, das geht ohne Taschenrechner, mit einem Dreisatz."
Harte Worte - zur Revolte kommt es aber nicht, auch wenn Betriebsrat und Gewerkschaften murren. Wiedeking verschafft sich Respekt, stellt sich den Mitarbeitern und erklärt das Drama: "Es ist wie beim Arzt, der sagt: Tut mir Leid, wenn ich dein Leben retten will, muss ich das Bein amputieren." Wiedeking lässt Abgeschobene in Beschäftigungsfirmen für neue Jobs qualifizieren und zahlt hohe Abfindungen. Gut kommt auch an, dass nicht nur die Kleinen leiden. Der neue Chef streicht zwei Hierarchiestufen, mehr als ein Drittel der Manager gehen.
Tatkräftiger Macher mit Herz und Schnauze

Tatkraft zeigt Wiedeking auch in der Produktpolitik. Zwei der drei Modelle wirft er aus dem Sortiment: den 928er (für Superreiche) und den 968er (für ziemlich Arme). Wiedeking setzt alles auf den 911er, entwickelt dazu den Boxster - und gewinnt: Der Absatz steigt von 14.400 in Wiedekings erstem Jahr auf heute 66.800, der Umsatz von 0,98 auf 5,6 Mrd. Euro, der Börsenkurs von 29,50 auf 363 Euro, der Firmenwert von 258 Mio. Euro auf 3,2 Mrd. Euro.
Immer noch trägt der Porsche-Chef die Wirtschaftsdaten der Krisenjahre mit sich herum. Bei Auftritten hält er sie den Leuten gerne vor die Nase. Wie kein zweiter Manager in Deutschland weiß er sich zu verkaufen. Er mag das Bild des Machers mit Herz und Schnauze.
Mit Vergnügen haut er kecke Sprüche raus, gefragt, ungefragt, egal, Hauptsache, Porsche bringt sich ins Gespräch. So verkündet er auf der Hauptversammlung stolz: "Allein im letzten Jahr haben wir über 40 Pressemeldungen zu wirtschaftlichen Themen veröffentlicht." Kaum ein Thema lässt er aus: Aufbau Ost? "Es ist unsere verdammte Pflicht, die gleiche Zukunftsaussicht zu schaffen wie im Westen." Banker? "Hasenfüße und Regenschirmverteiler, die ihre Schirme wegziehen, sobald es anfängt zu regnen." Subventionen für Autobauer? "Luxus und Stütze passen nicht zusammen." Also verzichtet Wiedeking auf 50 Mio. Euro für das Werk in Leipzig. Er schafft es, Porsches schlechtes Image umzukehren. Der Manager weiß, ohne gute Story stirbt das Geschäft: "Wer für ein Auto viel Geld ausgibt, will bewundert und nicht verachtet werden."
Mitteilungsgier und Stehvermögen

Die Mitteilungsgier des Managers ist nicht nur Kalkül, sie ist Teil seines Wesens. "Er ist immer vorne dran, wenn es etwas zu kommentieren gibt, auch im kleinen Kreis, im Privaten", sagt sein Freund Roland Mack, der Chef des Europa-Parks.
Wenn gefeiert wird, das Bier in Pfützen auf dem Tisch steht, dann dreht Wiedeking richtig auf. Da ist es egal, ob eine Journalistin vom "Stern" dabeihockt. Wiedeking scherzt, lacht, plaudert, nötigt Wasser trinkenden Angestellten einen Rachenputzer auf ("Schluss Pippich, du trinkst Gin Tonic"), er schmettert Schlager zum Piano ("Aber bitte mit Sahne"), und er gibt dem Wirt Tipps von Chef zu Chef ("Die drei Kellner hier schaffen nicht, was eine gute Bardame nebenbei erledigt").
Und morgens, wenn sich die Sonne aus dem Nebel quält und die Mitfeiernden ins Bett sinken, reibt sich Wiedeking die Müdigkeit aus dem Schnurrbart, nimmt eine kleine Dusche und macht sich auf ins Werk oder an den Schreibtisch. "Er hat ein unheimliches Stehvermögen", sagt Mack. "Das ist Wiedeking: lange feiern und am nächsten Morgen arbeiten."
Gepflegtes Malocher-Image

Wiedeking pflegt sein Malocher-Image. Opernbesuch? Golfen? Austerndinner? Nein, ihn reizt, beeindruckt anderes, Bauernhände etwa, "tolle Hände, voll tiefer Kerben, denen sieht man die Arbeit an". Wiedeking liebt das Landleben. Er lebt in Bietigheim, besitzt einen Acker und zwei Porsche-Traktoren, pflügt und eggt und setzt Rosenland-Kartoffeln. "Aus einem Setzling krieg? ich 20 Stück raus, das ist weit mehr als der Durchschnitt."
"Grundehrlich und bodenständig" seien die Menschen dort. "Da sind wir Westfalen ganz ähnlich gestrickt", sagt der Manager, der in Beckum aufgewachsen ist. Wiedeking sucht ihre Nähe. "Er geht in die Kneipe, wenn die Arbeit auf dem Feld getan ist. Fährt mit Traktor und Anhänger ins Dorf, spielt mit den Leuten Boule. Dann ist der Tag des Bauern zu Ende", sagt sein Freund Mack.
An solchen Tagen trinkt und plaudert Wiedeking bis in die Nacht hinein, verwickelt sich in Diskussionen und gibt, zumindest "in kleinen Dingen", mal nach, eine Tugend, die er im Geschäft selten pflegt. "Unnachgiebigkeit" sei seine größte Schwäche, schreibt er im FAZ-Fragebogen.
Ewiger Antreiber

Hart kann er sein. "Wen ich beim Zurücklehnen erwische, den mische ich auf", zitiert ihn Journalist Ulrich Viehöver in einer Biografie. Einige Mitarbeiter klagen über Geschrei und Leistungszwang. "Wir dürfen uns nicht zurücklehnen", sagt Wiedeking immer wieder. "So schwer das auch für viele im Unternehmen klingen mag."
Das Antreiben, das ewige "Wir-dürfen-nicht-nachlassen", ist nicht unbegründet. Erstmals seit Jahren muss der Erfolgsmensch Rückschläge einstecken. Der Absatz der Modelle Boxster und 911 ist eingebrochen. Der gute Start des Geländewagens Cayenne gleicht das aus, ein Rekordabsatz von 75.000 steht in diesem Jahr bevor. Doch mit dem Cowboy-Auto setzt Porsche noch mehr auf den US-Markt.
Riskant sei das, in Zeiten der Dollar-Schwäche, kritisieren Experten. Dazu tadeln sie, dass Wiedeking sich weigert, einen Diesel-Cayenne anzubieten. Der Gelsenkirchener Professor Ferdinand Dudenhöffer schreibt in einer Studie, ohne Diesel-Version könne der Absatz von 25.000 im nächsten Jahr auf 15.000 absacken. Wiedeking findet das "lachhaft". Ihn kümmert wenig, dass Konkurrenten 80 Prozent des Verkaufs mit Diesel-Wagen machen. "No risk, no fun. Mein Lebensmotto."

http://www.impulse.de/ftd/artikel.ht...ikel_id=555646
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... und wieder ein unqualifizierter beitrag vom andreas


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