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Alt 10.09.2008, 15:24
Benutzerbild von Harald,der driver
Harald,der driver Harald,der driver ist offline
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Harald,der driver
Sonntagstour...

Gebrauchtwagenbewertung:

Am 17.08. hatte ich die Gelegenheit, in einem Pforzheimer Autohaus einen Porsche Carrera zu besichtigen, für den sich ein Freund interessierte. Wir wurden vom Inhaber freundlich begrüsst und sofort zum Fahrzeug geführt. Das Objekt des Interesses war ein Coupe mit Erstzulassung 1984 und einer - so die Aussage des Händlers - verbrieften Laufleistung von ca. 110Tkm. Der 911 war meteoritgraumetallic, hatte hellgraue Lederausstattung, Schiebedach, Radio, Velourteppich im Kofferraum, Fuchsfelgen 15", und war laut Beschreibung zu 95% in Originalzustand (also auch Lack); die Kupplung war vor ca. 10Tkm erneuert worden. Das Fahrzeug hatte 4 Vorbesitzer, die letzten beiden in England, und inzwischen wieder einen deutsche Zulassungsbescheinigung. Eine dicke Mappe mit Rechnungen der Vorbesitzer und ein Scheckheft verhießen eigentlich nur Gutes für die nachgefragten 28800,-€, die einen zumindest reellen Zweierzustand erwarten lassen. Wir hatten freie Hand, uns den Wagen gründlich anzusehen.

Karrosserie:
Obwohl der Lack frisch poliert glänzte, wirkte das Fahrzeug gebraucht. Alle schwarzen Zierteile schienen wie von einer Patina belegt, auch die Fensterdichtungen sahen gebraucht aus. Der rechte vordere Kotflügel wies an einer Stelle oben eine leichte Mattigkeit auf, der Linke eine deutliche Orangenhaut oberhalb des Rades, der Rest glänzte gleichmäßig. Vorn hatte der Lack einen etwa fingerlangen Kratzer, der vermutlich die Klarlackschicht nicht durchdrang, außerdem auf der Kotfügelspitze vor der A-Säule eine Unebenheit, die definitiv nicht ab Werk vorhanden war. Nach dem Öffnen der Tankklappe fand sich im Inneren außer etwas Dreck auch ein metallisch schimmernder,grauer Staub,der m.E. Schleifstaub vom Lack war. Der Hohlraum unterhalb besagter Kotflügelspitze, der bei offener Tür sehr gut einzusehen und bekannt für Schmutzablagerungen ist, war allerdings sehr sauber. Nur in der hintersten Ecke erkannte man an einer schmutzigen Kabeltülle, daß dort die Grenzen der Reinigungskünste erreicht waren. Im Blech der Fahrertür fand sich etwa neben dem Spiegelfuss eine kleine, scharfkantige Delle; die Lackschicht war aber unbeschädigt. Innen im Kotflügel wies der Steinschlagschutz die Porsche-übliche Rauhigkeit auf, und schien auch nicht erneuert zu sein. Ebenso im Radhaus war die Beschichtung zwar alt und zeigte viele Gebrauchsspuren, war aber weder beschädigt noch erneuert worden. Etwas auffällig war der Rostbefall an allen unlackierten, (ehemals verzinkten), Blechteilen. Auch die schwarz beschichteten Abschlussbleche an den Schwellerenden, welche aus Aluminium sind, waren mit Ausblühungen übersät. Beide Türen schlossen satt und einwandfrei. Weiter mit den hinteren Seitenteilen: links fiel in der Wölbung, etwa mittig zwischen Dachkante und Radlauf, ein kleiner Lackschaden auf, der mit einemLackstift behandelt worden war. An der Heckklappe stand wieder der glänzende Lack in krassem Gegensatz zum mattgräulichen, unsauber wirkenden Gittereinsatz. Am Übergang von Karrosse zu den Rückleuchten,direkt an den Spitzen, begann sich Rost den Weg durch den Lack zu suchen - eine Stelle, die naturgemäß schwierig zu behandeln und nur aufwendig zu lackieren ist. Wie mag es wohl unter den Rückleuchten aussehen?
Auch in den hinteren Radhäusern wie schon vorn ein relativ ungepflegtes Aussehen und Rost an allen unlackierten Stahlteilen. Reine Sommerfahrzeuge sehen in diesen Bereichen nach meinen Erfahrungen besser aus. Nach dem Öffnen des Motordeckels fiel dieser gleich wieder herunter bzw. musste mit der Hand aufgehallten werden. Von der defekten Gasdruckfeder hatte der Händler keine Ahnung gehabt - so der Originalton.?
Die beiden Hauben sahen von den Innenseiten gut und einigermassen sauber aus, aber omonöse weiße Flecken an einigen Stellen, die sich nicht abwischen ließen, trübten das Bild. Das Schiebedach war ebenfalls okay, die Dichtung jedoch in Auflösung begriffen, das Fell bereits abgeschabt und das Gewebe schon dünnhäutig. Alle restlichen Dichtungen waren mehr grau statt schwarz und teilweise verhärtet, hatten seit mindestens 15 Jahren keinerlei Pflegemittel mehr gesehen, und jeder Griff in Ecken und Falze wurde mir mit verdreckten Fingern belohnt; an wirklich keiner Stelle blieben die Finger sauber. Die Frontscheibe wies auffällig wenig Steinschlagschäden auf - sehr ungewöhnlich bei doch mindestens den angegebenen 110Tkm, zumal die vordere Stoßstange eben wegen Steinschlag neu lackiert worden war. Bei dem doch umfangreichen Stapel Rechnungen und Belege fand sich kein Hinweis auf die neue Scheibe. Der Unterboden zeigte sich ohne Auffälligkeiten.
Auch intensive Suche nach eventuellen älteren Reparaturen blieb erfolglos.

Innenraum:
Auf den ersten Blick sah alles sauber aus. Die hellen Teppiche wirkten aber nicht so neuwertig wie auf den Fotos. Das Leder der hinteren Sitze und auch das des Beifahrersitzes war in akzeptablem bis gutem Zustand, mit sprichwörtlicher Patina, passte aber zum Zustand. Der Fahrersitz war leider an der linken Wange in sehr schlechtem Zustand, die Lederhaut war an mehreren Stellen aufgeplatzt. Dieser Sitzbezug bedarf dringend einer fachgerechten Aufbereitung, die anderen Sitze nur besserer Pflege. In den Ecken
und Ritzen des Armaturenbrettes sah man wieder die oberflächliche Reinigung über viele Jahre. Von Pflegemittel für Kunststoffe hatte wohl noch keiner der Vorbesitzer gehört.
Der Velourteppich des Kofferraums wirkte da noch am Besten; nur unten drunter hatte leider niemand mal richtig geputzt.

Mechanik:
Von einer Probefahrt haben wir abgesehen, da mein Bekannter vom llgemeinen Zustand nicht begeistert war. Sowohl Motor als auch Getriebe waren absolut trocken, und es sah auch nicht danach aus, als hätte man hier etwas vertuschen wollen. Im Gegenteil, die stark korrodierten, rostbraunen Wärmetauscher waren nicht zu übersehen. Die Bremsscheiben waren alle blank, ohne Riefen und minimal eingelaufen. Die regelmäßige Wartung, wie vom Verkäufer angepriesen, ist durchaus glaubhaft. Die Felgen waren nicht in Originalzustand, die Hörner auf Hochglanz poliert - sehr anständig gemacht - und die Sterne in Wagenfarbe lackiert. Bestückt rundum mit Pirelli Reifen, fiel am rechten Vorderrad ein älterer Typ P6 auf, während die anderen drei vom Typ 6000 waren. Das Profil betrug bei allen Reifen ca. 70%.
Die Art unserer Fahrzeugbesichtigung hatte zur Folge, daß der Händler schließlich, noch während des Abschlußgesprächs, alle Hauben und Türen schloss und damit die Verhandlungen beendete. Auf die von meinem Bekannten testweise gebotenen 25000,-€ ging er nicht ein, sondern verwies auf den Zustand, der beim Carrera1 immer seltener zu finden sei, und außerdem hätte er bereits ein Gebot über 27T €.
Nach den bekannten Zustandsbeschreibungen und mit Hilfe der Classic-Data Preisliste, schätze ich den reellen Preis etwa bei 20000,- bis 21000,-€, was einer - mittleren - Note 2,8 oder 2,9 entspräche.

Epilog
Zirka 2 Stunden später und rund 50km entfernt schoben wir einen dunkelblauen Carrera aus einer Doppelgarage in die Sonne. Dieser C1 von 9/88 wurde von Privat angeboten und sollte 26000€ kosten. Wie zuvor wurden Hauben und Türen geöffnet und das Fahrzeug intensiv durchleuchtet. Schnell wurde mir klar, daß dieser 911 absolut ehrlich da stand, weder frisch gewaschen noch poliert, keine spezielle Aufbereitung. Trotzdem strahlte das Fahrzeug in allen Ecken den gewissen "Neuwagencharakter" aus, sogar der Geruch im Innenraum erinnerte mich sofort an meinen eigenen 911, der auch nach 22 Jahren immer noch nach "Porsche" riecht. Kurzum, meine Finger blieben hier sauber, zwei kleine Dellen, ein Kratzer in der rechten Tür und die obligatorisch defekte Gasdruckfeder an der Motorhaube sind erwähnenswert. Für die profilmäßig im Grenzbereich operierenden Vorderreifen hatte der Verkäufer bereits zwei Neureifen parat liegen, welche im Kaufpreis enthalten sind - hinten waren schon die neuen Michelin montiert. Die Sitze mit Stoffbezügen sind allesamt sauber und zeigen keinen Verschleiß, trotz adäquater Kilometerleistung von rund 115Tkm (der Tachostand zeigte 80T, und im Scheckheft ist der Tachotausch bei 35Tkm belegt), was wiederum Zweifel an der Echtheit des km-Standes beim grauen Carrera aufkeimen lässt. Auch der unpräparierte Motorraum sah erheblich besser und neuer aus. Die Wärmetauscher hatten, wie der Rest der Karrosse, keinerlei Rost.
Auch mein Bekannter war schnell vom guten Zustand angetan und gerne ließen wir uns zu einer Probefahrt einladen. Diese verlief völlig unspektakulär und bestätigte den guten Wartungszustand des Fahrzeugs, und bei allen Beteiligten stellte sich gute Laune ein. Nach der Rückkehr entschloß sich mein Bekannter spontan zum Kauf, Bei zwei Vorbesitzern (der erste die Porsche AG, was m.E. nicht zählt) ist der Kaufpreis durchaus angemessen. Mit relativ wenig Aufwand sollte sich dieser 911 in einen Zustand nahe 2 versetzen lassen können.

cheers,
Harald
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