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Alt 30.12.2006, 17:11
Martin Martin ist offline
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Beiträge: 148
Martin befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
lange Winterabende

Eine Ode an Liesbeth Dreizwo

Leise kribbeln Lenkrad und Schalthebel in den Handflächen, der Fuß auf dem Gaspedal macht selbst durch die dicke Wintersohle hindurch glauben, ein Heer von Ameisen wäre dort unten unterwegs. Die Nadel des Drehzahlmessers tanzt leichtfüßig über das Zifferblatt und der Triebling im Heck gibt sofort die Rückmeldung über das eigene Tun.

Es wäre eine Tölpelei wilhelminischen Ausmaßes wollte man die sich einstellenden Glücksgefühle in Abrede stellen. Wenn man dann die ersten Meter noch etwas unbeholfen über das Asphaltband hoppelt, fühlt man sich zurückversetzt in eine Zeit, in eine Ära, in der noch alles möglich war. Der ganze Wagen atmet diesen Zeitgeist. Der Blick schweift über die Instrumente und verhaftet an der unbewußten Schlichtheit welche der Zweck diktierte.
So denn er dann einmal eingespurt ist, grummelt er sonor dahin und sehnsüchtig erwartet man den Punkt ab dem der Druck aufs Gaspedal nicht mehr mit Reue einhergeht.

Wenn ich so fest in sie hineingeschmiegt in den Kurven in die äußerste Ecke des Sitzes gedrückt ihr Schreien nach mehr-mehr-mehr vernehme und der kurze Blick auf den Drehzahlmesser mich zwingt meine Hand vom schlagenden Lenkrad in Richtung Schalthebel zu bewegen. Wenn Bodenwellen sie hochwerfen und mir die Stoßdämpfer wieder einmal zuraunen: „wie bist du denn heute wieder drauf?“

Das helle Knallen des Auspuffes beim Heraufschalten kurz vor dem Drehzahlbegrenzer speziell wenn eine Wand das Echo zurückwirft, dieses verträumte Ventilrasseln, das erotisierende Heulen des Lüfterrades, das ansatzweise Quietschen der Reifen bei maximaler Verzögerung. Wenn ich dann schweißgebadet aussteige und eine Viertelstunde später das Zittern meiner Hände immer noch nicht kontrollieren kann. Das sind die Momente in denen ich alles gäbe um sie für die Ewigkeit zu bannen.

Es gibt Augenblicke im Leben des Menschen, Zustände eines tiefen inneren Glückes zu erfahren. Mir ist es vergönnt einen Wagen mein Eigen zu nennen der einen Charakter und die Fähigkeit besitzt, mir - neben anderen - solche Augenblicke zu bescheren. Es mangelt mir vielleicht hier an Vorstellungsvermögen oder es ist begrenzte Erfahrung, jedoch glaube ich mit diesem Wagen einen Weg zu beschreiten der mir in Bezug auf Alltagstauglichkeit und Fahrspaß seit mittlerweile 130tausend Kilometern recht gibt.

Diese Augenblicke sind es warum ich Porsche fahre, warum ich dem Kind einen Namen gab und warum ich zwanghaft die Situation ausblenden möchte, mir ein Leben danach vorstellen zu müssen. Nichts sollte mich bewegen ein zwanzig Jahre altes Auto mit 250tausend Kilometern auf der Uhr wieder hergeben zu müssen.

Vorhin war ich noch einmal bei ihr. Achtete auf den ordentlichen Sitz ihres Schlafanzuges und daß die Türen auch abgesperrt sind. Es ist schon ein wenig seltsam wie man mit sich mit einer Maschine auseinandersetzen kann. Natürlich sind für jemanden vom anderen Ufer alle anderen auch vom anderen Ufer. Jeder behauptet von sich der Normale zu sein. Die eigentliche Beurteilung obliegt immer den anderen. Aber warum bekommt man immer nur von solchen Leuten Ratschläge, die selbst nie einen annehmen?
Aber es ist das erste Mal daß ich auf ein Auto achte. Bisher wurden Autos nur benutz – selten erfahren. Und meine Umwelt stellte mir öfter die Frage wann ich denn gedenke „normal“ zu werden. Ist Porschefahren somit ein Schritt in Richtung Normalität? Wäre jeder so, führe er nur einen Porsche?

Einen Wagen zu fahren der die Menschheit spaltet. Ich wollte es anfänglich nicht wahrhaben aber ich hatte bis dato noch nie ein Auto auf das meine Umwelt so unterschiedlich reagierte. In der Waschanlage wird man von einem Greis auf unflätigste Art und Weise beschimpft. Ein Vorbeirollen an einer Gruppe von Reitern im Standgas artet in nicht nachvollziehbare Verkehrsbelehrungen aus. Bauerntölpel werfen mir an den Kopf man solle diesen „Unterlegekeil“ gefälligst hinter dem Misthaufen parken.

Aber kleinste Begebenheiten versöhnen. Der Rentner, der auf dem Supermarktparkplatz solange wartet bis man den Motor angelassen hat. Der lauteste und wildeste Rotzbengel, der artig fragt ob er sich einmal hineinsetzen darf. Oder der Dreijährige der auf seinem Tretbulldog sitzend den fachmännischen Kommentar abgibt: „ist ein altes Porsche“.

Dieses Auto lehrt die Bescheidenheit; die Zurückführung auf das Wesentliche. Ich muß mir Gedanken machen was ich alles mitnehmen werde wenn ich eine Reise antrete (ich finde so erlebt man intensiver). Und das ist immer noch erheblich mehr als das, was auf ein Motorrad paßt. Dafür lernt man dann ein anderes Auftreten.

Dieser Wagen hat seine Fähigkeit zur unvernünftigen Begeisterung mit Erscheinen von mehreren Nachfolgegenerationen keinesfalls verloren.

Soviel für heute

Martin
__________________
Wer auf der Bremse steht kann kein Gas geben!
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