Der Weg meines Bruders und mir schien vorgezeichnet. Wir wuchsen in einem schönen Haus in einer guten Wohngegend, mit großem Garten, Swimmingpool, zwei Hunden und einem Porsche auf. Es war ein nagelneuer 911 S Baujahr 1973 und der ganze Stolz unseres Vaters. Wenn er uns damit in den Kindergarten und später in die Schule fuhr, war das immer ein ganz besonderes Erlebnis. Alle anderen schauten dann immer so komisch und man fühlte sich fast wie ein kleiner Star, wenn man aus dem Wagen stieg. Zwar konnten wir anfangs nicht verstehen warum, aber unser Vater klärte uns auf: "Die sind neidisch weil ich einen Porsche fahre"... das war zumindest seine Sicht der Dinge...
Damals durfte man sein Auto noch Zuhause waschen… so richtig, mit Shampoo und Schwamm. Wenn wir Jungs brav waren, durften wir das übernehmen… d.h. mein Bruder der 1 ½ Jahre ältere durfte es – ich "durfte" für genügend frisches Wasser sorgen. Ab und an übergab mir mein Bruder aber auch mal den Schwamm, wenn unser Vater mal nicht hinsah. Dieses Gefühl über die kraftvollen Rundungen des Wagens zu gleiten, das Geräusch des Wassers das leise vom Lack abperlend auf den Boden plätscherte und die wärmende Sonne, in deren Licht der Wagen in immer wieder neuem Glanz erstrahlte, werde ich nie vergessen. Es muss so 1975 gewesen sein, als mein Bruder und ich einem Packt schlossen – Wir würde nie… wirklich niemals ein anders Auto fahren als einen Porsche!
Kurz darauf ließen sich unsere Eltern scheiden.
Vorbei war es mit dem Porsche fahren… für eine sehr, sehr lange Zeit... doch der Traum blieb und unser Packt stand.
Uns standen viele schwere Jahre bevor. Meine Mutter arbeitete Tag und Nacht um uns Jungs durch zu bringen und dennoch war es oftmals kaum genug zum überleben. Die Träume hatten sich verlagert. Einmal im Jahr zu McDonalds gehen zu können und essen so viel mal wollte, eine Dauerkarte fürs Freibad, oder ein kleiner Radiorekorder zum Musik hören, drängten den Porsche-Traum in den Hintergrund. Doch die Leidenschaft blieb. Wenn wir es uns leisten konnten, kauften wir uns Autozeitschriften in denen Ein Porsche-Bericht war. Wir sammelten alles nur erdenklich und vor allem mein Bruder wusste alles über jedes Modell, bis hin zu Farben und Sonderausstattungen.
Die Jahre vergingen und als wir unser eigenes Geld verdienten, wurden sie auch etwas erträglicher. Dennoch war mit 18 nicht im Traum an einen Porsche zu denken… nicht einmal an den Führerschein. Die Freunde bekamen nach und nach ihre ersten eigenen Autos …wir fuhren Bus & Bahn. Aber es machte uns nichts aus, denn mit einem Opel Commodore, Audi 50, oder VW Golf konnten wir sowieso nichts anfangen. Es ging uns nicht darum mobil zu sein, irgendwie kam man auch so hin wo man wollte, oder bei den Freunden… und nicht zuletzt den Mädchen… Eindruck zu schinden… bestimmt hätten auch wir uns irgendwie ein Auto leisten können… aber wir wollten nicht. Wir wollten nicht, wie unsere Freunde, jeden Pfennig ins eigene Auto stecken, nur um von A nach B zu kommen. Wenn schon Auto – dann Porsche!
Doch dieser Traum war unerreichbar.
Als ich im Alter von 22 Jahren meine jetzige Frau kennen lernte, begann sich das Blatt jedoch zu wenden. Sie motivierte mich wieder zur Schule zu gehen und mein Abitur nach zu holen um anschließend zu studieren. Noch während meines Studiums zum Grafik Designer begann ich als Freelancer für verschiedene Werbeagenturen zu arbeiten. Erstmals stand ich vor dem Problem nicht schnell genug von einem Ort zum anderen gelangen zu können, was in diesem Job dringend notwendig war. Was ich schon längst abgehakt hatte, nämlich den Führerschein zu machen, war plötzlich unabdingbar geworden. Mit 28 Jahren war es dann so weit – ich hatte die "Pappe"! Doch das war natürlich erst die halbe Miete… Ein Fahrzeug musste her.
Niemals hatte ich den Traum vom Porsche aufgegeben, doch immer noch war dieser unerreichbar. Also was sollte es werden?... ein VW?... ein Opel… oder irgendetwas anderes?... Ich entschied mich für ein Motorrad! Genauer gesagt für zwei Motorräder – eines für den Sommer und eines für den Winter. Die Freunde und Bekannten hatten es längst aufgegeben mich bekehren zu wollen, natürlich wussten auch sie von dem Packt zwischen meinem Bruder und mir: "wenn du nicht vernünftig werden willst, dann musst du dir eben den A**** abfrieren…"… und das tat ich auch!!!
Weitere zwei Jahre später, ich hatte mich inzwischen Selbständig gemacht, fuhr ich auf meinem Heimweg von einem Kunden an einem Autohändler vorbei… und da stand er!... sofort unterbrach ich meine Fahrt, stellte mein Motorrad ab und ging auf ihn zu… er war rot… hatte einen Heckspoiler… und er lächelte mich freudig an! Es war als würde er zu mir sprechen: "Hallo, hier bin ich… dein Traum aus Kindertagen... erinnerst du dich noch?..." Und ob ich mich erinnerte!
Das Motorradfahren war mir inzwischen so in Fleisch und Blut übergegangen, so dass ich mir gar keine Gedanken darüber gemacht hatte, ob es vielleicht schon so weit sein könnte... ob ich mir vielleicht schon einen Porsche leisten konnte – ich konnte es!
Der Cousin meiner Frau machte die Probefahrt. Er arbeitete bei Porsche und verfügte darum über die notwendige Erfahrung. Außerdem war es so lange her, dass ich in meinem Fahrschulauto gesessen hatte, dass ich mir nicht wirklich zutraute gleich einen Porsche fahren zu können. Zuhause diskutierte ich mit meiner Frau die Situation und gemeinsam beschlossen wir ES zu tun! Leider war es schon spät am Abend als wir diesen Entschluss fällten, so dass ich den Händler nicht mehr erreichen konnte. Ich musste mich also bis zum nächsten Morgen gedulden… beinahe unnötig zu erwähnen das ich in dieser Nacht kein Auge zubekommen habe! Mir gingen tausend Gedanke durch den Kopf... was, wenn mir jemand zuvor kommen würde?... wenn ich den Wagen nicht beherrschen könnte?... wenn, wenn, wenn…
Endlich war es dann Morgen und ich rief beim Händler an! Ich erinnere mich nicht mehr an das Gespräch, aber noch sehr gut an den Moment als ich wieder aufgelegt hatte. Ich stand in meinem Büro am Fenster, sah nach draußen und ja... ich schäme mich nicht es zuzugeben… es liefen mir die einen oder andere Träne übers Gesicht. Ich hatte es geschafft!!!
Der Wagen stand noch nicht in meiner Garage… ich war noch nicht mit ihm gefahren... und dennoch war ich so glücklich wie nie zuvor in meinem Leben!... irgendetwas sagte mir, dass ich endlich angekommen war.
Der Wagen war viel mehr für mich als "nur" ein Porsche, er war ein Zeichen, ein Symbol... jedoch nicht für meinen Status oder meine Eitelkeit, sondern für mein Leben. Er stand für die Erfüllung und Verarbeitung der Vergangenheit, die Bestätigung der Gegenwart und die Freude auf die Zukunft. Es ist ein Auto... nur ein Auto… und doch so viel mehr... Obwohl es selbstverständlich wichtigeres im Leben gibt, wird mich ein Porsche... MEIN Porsche immer daran erinnern, dass ich alles schaffen kann, was ich mir erträumt habe.
Inzwischen sind noch ein paar hinzugekommen. Andere wurden verkauft und ersetzt, aber Freude und Leidenschaft, an und für diese Wagen, sie sind ungebrochen! Kein Parken, ohne nicht noch mindestens einmal zurück zu sehen, ein paar Schritte entfernt, egal wie eilig ich es habe. Keine Fahrt ohne das Bewusstsein in WAS ich da unterwegs bin. Keine Wäsche ohne die gleiche kindliche Freude beim "streicheln" der kraftvollen Rundungen...
Übrigens... einen Wagen habe ich an meinen Bruder verkauft. Der hatte sich inzwischen auch Selbständig gemacht und arbeitet nun fleißig an seinem Führerschein... er wird im September 36 Jahre alt...
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...it's a kind of magic
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